Die letzte Wienzeile

Folge 1:

  • Gerald Stotz & Veronika Leitl © Herwig Prammer

Veronika Leitl (Technische Direktorin) & Gerald Stotz (Leiter Technische Planung / Konstruktion)

Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, mit einem ganzen Theater umzuziehen? Seit gut zwei Jahren sind wir neben unserem Theateralltag damit beschäftigt, diese Aktion minutiös vorzubereiten, damit zur großen Eröffnungspremiere Das schlaue Füchslein alles sitzt und die Halle E ein Theaterraum wird, der mit unserem Stammquartier am Naschmarkt mithalten kann. Definitiver Pluspunkt in der Halle E ist die speziell konzipierte Drehscheibe, die nunmehr vor- und zurückgefahren und von allen Bühnenbildner*innen dadurch noch kreativer eingesetzt werden kann. Wir können da eben mal zwölf Tonnen spazieren fahren! Unsere große Herausforderung: Wir lernen den neuen Raum selbst erst nach und nach kennen. Ständig gibt es neue Aha-Momente, die uns zum kreativen Umdenken einladen. Im Theater an der Wien kennen wir die technischen Möglichkeiten natürlich in- und auswendig. Wenn ein*e Regisseur*in zu uns kam, hatten wir für jedes Problem eine Lösung in der Schublade.

Unsere neuen Schubladen müssen wir nun erst einmal wieder füllen. Aber die Aufführungen sind natürlich nur die Spitze des Eisbergs. Statt in den bisherigen Büros arbeiten wir nun zum größten Teil in einer eigens geplanten Containerwelt im MuseumsQuartier. Hier musste alles von Grund auf eingerichtet werden. Dafür waren einige Kilometer an Kabeln nötig. Und wie es bei einem Umzug so ist: Einiges haben wir auch ausgelagert, nur um dann festzustellen, dass wir genau das dringend in Halle E benötigen. Ein ständiges Learning-by-doing, aber eines, das viel Spaß macht. Das Gute: Wir sind hier alle neu, ob Techniker* in oder Intendant! Das daraus entstehende Miteinander ist permanent spürbar. In den neuen Büros gibt es keinerlei räumliche Hierarchie, die Technik liegt unmittelbar neben der Intendanz. Diesen Teamgeist wollen wir bewahren. Und so wagen wir schon jetzt das Fazit: So schlecht haben wir das alles anscheinend gar nicht geplant.

Folge 2:

Florian Bogner (Leitung Ton)

Sie fragen sich vielleicht, was macht der Mann da in einem Opernhaus eigentlich mit seinem Mischpult? Klar, der Ton kommt in der Oper aus dem Orchestergraben und von den Stimmen der Sänger*innen, und auch in die Frage der richtigen Balance mischen wir uns nicht ein. Aber schon wenn ein Chor hinter der Bühne singt oder aus weiter Ferne eine Glocke ertönt, wenn ein Geräuscheffekt eingespielt werden muss oder vom Komponisten eine Orgel vorgeschrieben ist, kommen wir ins Spiel. Und natürlich helfen wir den Sänger*innen, die auf der Bühne oft nur ihre eigene Stimme hören, indem wir ihnen Akustikmonitore mit dem Orchesterklang auf die Bühne stellen. Regelmäßig arbeiten wir mit dem ORF zusammen, der viele Aufführungen des MusikTheaters an der Wien überträgt, vor allem wenn das ORF Radio-Symphonieorchester bei uns spielt. Wir liefern den Kolleg*innen die einzelnen Mikrofonsignale, die dann entweder live im Übertragungswagen oder später im Studio gemischt werden. Aber wir schneiden auch selbst unsere Aufführungen mit, für das eigene Archiv und auch für Klangbeispiele für die Presse.

Die Arbeit am Theater ist immer wieder anders, und jede Oper hält für uns neue Herausforderungen bereit. In den letzten zwei Jahren haben wir sehr viele Produktionen mitgeschnitten und als DVD produziert: Das MusikTheater an der Wien ist ein Stagione-Haus und kann eine Opernproduktion nicht einfach verschieben, deswegen haben wir fertig geprobte Opern aufgezeichnet. Jetzt gerade haben wir mit der Halle E eine neue Spielstätte mit ganz besonderen akustischen Verhältnissen bezogen. Und in den nächsten Wochen proben wir La Périchole mit Opernsänger*innen und singenden Schauspieler* innen, was für alle ein spannendes Projekt wird. Übrigens: Seit dieser Spielzeit produzieren wir einen Podcast, der von uns brandaktuell nach den Einführungsmatineen geschnitten wird. Das macht sehr viel Spaß: Hören Sie doch einmal rein!

 

zum Podcast

  • Florian Bogner © Karl Schöndorfer

Folge 3:

  • Renate Vogg © Katharina Schiffl

Renate Vogg (Produktionsleitung Kostüm)

Kostüme für einen ganzen Chor, eine Reihe Statist*innen und nicht zu vergessen die Solist*innen. Klingt viel? Ist es auch! Rund 200 Kostüme werden in Marie-Eve Signeyroles Inszenierung von Händels Belshazzar zu sehen sein. Auch wenn die Premiere am 20. Februar noch bevorsteht, bin ich als Produktionsleiterin für Kostüm mit meinem Team längst im Einsatz. Bereits seit etwa einem Jahr arbeite ich in engem Austausch mit der Kostümbildnerin Yashi zusammen, sehe mir Entwürfe und Moodboards an und überlege, wie die Vision vom Papier auf die Bühne gebracht werden kann. Was haben wir im Kostümfundus, welche Teile können fertig gekauft werden? Was muss eigens geschneidert werden? Woher bekomme ich die passenden Stoffe, und wie schnell lässt sich das eigentlich an- und ausziehen? Von der ersten Konzeptpräsentation an bin ich dabei und muss ständig den nächsten Entwicklungsschritt mitbedenken. Kostümbild erzählt nicht nur Geschichten, sondern ist auch etwas äußerst Dynamisches: Ein Kostüm wird immer von einem Menschen getragen, der es lebendig werden lässt. In vielen Anprobe-Stunden werden alle Kostüme daher mit den Künstler*innen ausprobiert, dokumentiert und mit der oder dem Kostümbildner*in der Produktion weiterentwickelt.

Ohne meine Teamkollegin Alma Jerlagic wäre vieles nicht möglich: Während ich etwa im Büro beschäftigt bin, verfolgt sie die Proben. So können wir das Kostümszenarium beinahe täglich aktualisieren und auf die Entwicklung des Stücks im Probenprozess eingehen. In einem umfangreichen Plan wird jedes Kostüm für jede*n Mitwirkende*n in jeder Szene festgehalten – inklusive der Zeit, die für das Umziehen zur Verfügung steht. Wenn es knapp wird, heißt das für die Künstler*innen oftmals, dass der Umzug gleich direkt auf der Hinterbühne passiert. Für den Weg in die Garderoben bleibt dann keine Zeit! Um rechtzeitig zum nächsten Auftritt wieder bereit zu sein, helfen die perfekt organisierten Ankleider*innen – und kleine Tricks wie Druckknöpfe an der Kleidung. Ich freue mich immer, wenn sich das Publikum vom Theaterzauber gefangen nehmen lässt und dabei die Handgriffe hinter der Bühne nicht bemerkt. Das bedeutet, dass wir unsere Arbeit gut gemacht haben. Aber bis die Premiere über die Bühne gehen kann, ist neben Kreativität vor allem Organisationsgeschick gefragt – und natürlich Nervenstärke!

Folge 4:

Catharina Wüst (Leitung des Künstlerischen Betriebsbüros)

Arbeiten im KBB – das klingt wahrscheinlich erst einmal etwas mysteriös … Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich das „Künstlerische Betriebsbüro“, eine Abteilung, die es an fast jedem Theater weltweit gibt. Bei uns laufen alle organisatorischen und logistischen Abläufe des Opernbetriebs zusammen, wobei wir insbesondere für das „Feintuning“ verantwortlich sind. Wie kann man sich das konkret vorstellen? Die Intendanz setzt Musiktheaterwerke einige Jahre im Voraus auf den Spielplan, irgendwann entscheidet sich, in welcher Saison genau welches Stück produziert wird und die Vorstellungstermine und Probenphasen werden festgelegt. In den nächsten Schritten, und hier kommen mein Kollege Ugo Varela und ich ins Spiel, werden alle Abläufe der Produktion im Detail disponiert und über Monats-, Wochen- und Tagespläne kommuniziert. Wir haben ständig den genauen Überblick darüber, wer sich wann und für welche Probe oder Aufführung in welchem Raum des Theaters aufhält. Die Halle E, die Kammeroper und unsere Probebühne in Simmering miteinander zu koordinieren, ist eine spannende Herausforderung! Schon vor Probenbeginn bin ich mit den Regie-Teams und musikalischen Leiter*innen in Kontakt, um die Probenphase vorausschauend zu planen: Wie viele Chorproben werden benötigt? Hat eine Sängerin ein Gastspiel an einem anderen Theater und ist deshalb drei Tage nicht in Wien? Müssen Statist*innen und Tänzer*innen gecastet werden? Sind die Mitwirkenden über Aufführungsfassung und (mögliche) Striche informiert?

Es ist mir wichtig, dass alle Beteiligten hier in Ruhe und unter besten Bedingungen ihrer Arbeit nachgehen können. Denn in unserem Stagione-Betrieb kommen die Künstler*innen in der Regel nur für eine Produktion zu uns, also meist für sechs Wochen Proben und die anschließenden Aufführungen – und da werden Wien und unser Theater zu ihrer Heimat auf Zeit. Darüber hinaus haben wir auch unsere konzertanten Aufführungen und Zusatzveranstaltungen im Blick. Oft sind die gastierenden Orchester nur 24 Stunden in Wien, und in dieser Zeit müssen alle Transfers, Übernachtungen, Proben und natürlich die Aufführung aufeinander abgestimmt sein. Neben Organisationsgeschick und Einfühlungsvermögen erfordert die Arbeit im KBB auch Stressresistenz: Wenn Sänger*innen aufgrund von Krankheit nicht zu einer Probe anreisen können oder gar ihren Auftritt absagen müssen, ist Nervenstärke gefragt. Dann suchen wir mitunter in Windeseile gemeinsam mit Castingdirektor Peter Heilker und/oder Betriebsdirektorin Carolin Wielpütz nach Einspringer*innen und koordinieren mit allen Abteilungen des Hauses, dass diese das richtige Kostüm und ausreichend Probenzeit bekommen, um den Abend zu retten. Solche Situationen sind in dieser Spielzeit bislang aber kaum eingetreten, da können wir auf Holz klopfen! Und der Lohn für alle Mühen: Wenn Probenprozess und Aufführungen vollkommen reibungslos verlaufen – und niemand merkt, welch großer organisatorischer Aufwand hinter allem steht.

  • Catharina Wüst © Catharina Wüst